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Einwohnerverein St. Georg von 1987 e.V.

Hier der Text des offenen Briefs des Einwohnervereins:


Sehr geehrter Herr Grote,
sehr geehrter Herr Droßmann,
sehr geehrter Herr Hafke,
sehr geehrter Herr Baum,
sehr geehrter Herr Rudolph,
sehr geehrte Damen und Herren!

Es ist das alte, seit einiger Zeit vom Bezirk Hamburg-Mitte wie auch vom Senat immer lauter gesungene Lied: SexarbeiterInnen werden vom Hansaplatz vertrieben, Obdachlose vom Hauptbahnhof; Mehmet Simsit, dem Betreiber des „Hansa-Treffs“, wird das Leben schwer gemacht, weil er aus Sicht des ehemaligen Bezirksamtsleiters die falschen KundInnen hat; bei der Neugestaltung des Hansaplatzes wird auf Geheiß des Bezirksamtes bewusst auf Sitzbänke verzichtet; Boran Burchhardt, Künstler aus St. Georg, werden alle möglichen Steine in den Weg gelegt, um zu verhindern, dass er im Rahmen einer Kunstaktion sog. Schattenbänke auf dem Hansaplatz aufmalt... Und nun dieses: Volker Schmidt, erprobter Koch, der bereits
in der „B20“ gewirkt hat, möchte gerne eine „Mobile Küche“ in St. Georg unterhalten, um Menschen mit wenig Geld und Obdachlosen eine warme Mahlzeit anzubieten – und erfährt nun eine Ablehnung seines Antrags durch den City-Ausschuss des Bezirks Hamburg-Mitte.

Gemeinsam ist all diesem, dass das Bezirksamt Hamburg-Mitte angetreten ist, störende, aus dem Rahmen bürgerlicher Vorstellungen herausfallende Bevölkerungsgruppen aus St. Georg zu verdrängen. Da werden eigens Verordnungen erlassen (die Kontaktverbots-Verordnung), die überdachten Flächen des Hauptbahnhofs werden de facto privatisiert (d.h., in die Zuständigkeit der Deutschen Bahn übertragen); da wird schon das Einfach-nur-so-sitzen-Wollen auf dem Hansaplatz zum Delikt, jedenfalls durch permanente polizeiliche Kontrollen höchst ungemütlich gemacht; selbst eine Kunstaktion, die die fehlenden Bänke aufspießt, wird zum Politikum und unterbunden. Doch die Ablehnung einer Mobilen Küche setzt dem Ganzen nun auch noch eine veritable Krone auf.

In bester Absicht war Volker Schmidt angetreten, seinen Beitrag zu leisten, den im Hauptbahnhofviertel nun einmal vermehrt anzutreffenden Ärmsten und Obdachlosen wenigstens eine warme Suppe zuzubereiten. Er hat dafür ein Konzept entwickelt (s. Anhang) und eine Gulaschkanone aus der eigenen Tasche und nicht zuletzt aus Mitteln des Verfügungsfonds des Stadtteilbeirats angeschafft und selbständig aus Dresden herangefahren. Doch der Bezirk lehnt den Antrag, eine solche Mobile Küche temporär, aber regelmäßig an zwei Orten in St. Georg aufzustellen, mit einem Federstrich ab. Man möchte einfach nicht, dass die betreffenden Personengruppen in St. Georg einen solchen Anlaufpunkt haben, schließlich will man diese am liebsten gar nicht mehr vor Ort sehen. Vielmehr soll St. Georg immer stärker als „Visitenkarte der Stadt“ herausgeputzt werden, mit immer mehr Hotels und Restaurants, mit immer mehr TouristInnen, die offenbar davor bewahrt werden müssen, ein Bild von den Schattenseiten unserer Metropole zu bekommen. Obdachlose, BettlerInnen, Suppenküchen, auch noch in mobiler Form, um Himmels Willen, was sollen da die Gäste denken, von einer der reichsten Städte Europas? Oder auch diejenigen, denen die – Pardon! –  „Scheiß Armut!“ sowieso ein Dorn im Auge ist?

Wirklich abgründig wird die Entscheidung des City-Ausschusses, wenn man die jüngsten Entwicklungen ins Augenmerk rückt. „Hamburger Tafel muss Bedürftige abweisen“, meldete das „Hamburger Abendblatt“ am 12. Dezember. Von einem „Ansturm auf Ausgabestellen der Lebensmittel“ ist da zu lesen. Fast schon zynisch, dass mehr oder weniger zeitgleich der City-Ausschuss eine punktuelle Verbesserung der angespannten Versorgung wachsender Teile der Bevölkerung einfach mal eben so ablehnt. „Jedermann hat die sittliche Pflicht, für das Wohl des Ganzen zu wirken“, so steht es im Vorwort zur Hamburgischen Landesverfassung. Volker Schmidt hat diesen Satz sehr ernst genommen. „Die Allgemeinheit hilft in Fällen der Not den wirtschaftlich Schwachen...“, auch das steht in diesem Vorwort. Eine Möglichkeit, diesem selbstverständlichen Edikt nachzukommen, hat der Bezirk Mitte jetzt ohne Not ausgeschlagen. Fürwahr kein Ruhmesblatt, im Gegenteil stellt sich die Frage, inwieweit hier nicht sogar entgegen dem im Vorwort der Landesverfassung zum Ausdruck kommenden Geist entschieden wurde.

Anzumerken ist, dass gegen alle eingangs angeführten Punkte Widerspruch vom Stadtteilbeirat St. Georg eingelegt worden ist, bezeichnend, dass dieser Stadtteilbeirat nun, nach 34 Jahren, in zwei Schritten abgewickelt werden soll. Vielleicht sollte die auch aus Mitteln des Verfügungsfonds angeschaffte Gulaschkanone vor dem Bezirksamt am Klosterwall geparkt werden, zur dauernden Mahnung?! Es sei klar und nachhaltig formuliert: Uns stört keine Mobile Küche in St. Georg. Uns stört jedoch, und zwar ganz ungemein, die an den Tag gelegte Behördenignoranz gegenüber einem berechtigten sozialen Anliegen, uns stört vor allem eine Politik, die die Armut und Obdachlosigkeit in unserer Stadt überhaupt zulässt! Ziehen Sie also die Antragsablehnung zurück und ermöglichen Sie Volker Schmidt, unverzüglich mit seinem Engagement rund um die Mobile Küche zu beginnen. Der Winter steht bevor, meine Damen und Herren.

Wir würden uns eine schriftliche Stellungnahme aller angeschriebenen Personen und Parteien wünschen. Der Bedeutung und Eile des Antrages von Volker Schmidt angemessen, schicken wir dieses Schreiben auch an die Presse und ausgewählte Gruppen der Zivilgesellschaft.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Michael Joho

Für den Einwohnerverein St. Georg

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